Ureinwohner mit Sarong und Handy - Bei den Veddas in Sri Lanka

02.12.2015 11:44

Uruwarige Wannila Aththo sitzt in der offenen Empfangshalle vor seinem Haus. Das Gebäude ist ein riesiger Lehmbau mit Holz- und Palmwedeldach. Ein paar Regentropfen nieseln herab. An der hellbraunen Wand hängen Urkunden und Fotos, auf denen Uruwarige den Mächtigen die Hand schüttelt. Den "anderen" Mächtigen, könnte man sagen. Denn eigentlich ist auch er ein mächtiger Mann - er ist der Chef des Clans der Veddas, die bei Dambana leben. Sie gelten als Indigene, als die Ureinwohner von Sri Lanka. Knapp 2000 von ihnen soll es noch geben, in diversen Clans im Inland und einigen an den Küsten. Seit Jahrtausenden ist Sri Lanka ihre Heimat.

Bei den Veddas in Sri Lanka. Foto: Wolfgang Bürkle

Die Bilder an der Wand zeugen davon, dass die Veddas für ihre Anerkennung, für ihr Land, für ihre Existenz kämpfen mussten - und weiterhin müssen. Einst waren sie Jäger und Sammler, wurden als Waldmenschen, Dämonen oder Wilde bezeichnet. Doch die Zivilisation, die mit dem Straßenbau Mitte des 20. Jahrhunderts in ihre Gebiete einzog, hat manche Veddas vertrieben, viele zu Bauern gemacht, einige von ihnen assimiliert. Die Jagd in Sri Lanka wurde in den jüngsten Jahrzehnten drastisch eingeschränkt, viele der Landstriche, in denen die Veddas über Jahrtausende hinweg ihre Nahrung beschafften, sind nun gesperrte Schutzgebiete. Die nutzbaren Wälder der Veddas schrumpfen. Viele von ihnen tragen nun T-Shirts, rasieren sich, sind nicht mehr von den Singhalesen oder Tamilen, den beiden großen Bevölkerungsgruppen des Landes, zu unterscheiden. Nur die traditionsbewussten Männer tragen noch lediglich ein Stück Stoff um die Lenden, lange Haare und eine kleine Axt. 
 
Bei den Veddas in Sri Lanka. Foto: Wolfgang Bürkle
 
So auch Uruwarige Wannila Aththo. Am Tag meines Besuchs trägt der Mann, der sich schon im UN-Büro in Genf für die Rechte seines Volkes einsetzte, einen fliederfarbenen Sarong, den Bauch hat er trotzig herausgestreckt, die grauen Haare nach hinten gekämmt, der Bart ist struppig. Neben ihm liegt die kleine Axt, zudem eine Lesebrille. In einer Kiste stehen Gläser mit Honig und Heilkräuter, die er verkauft. Geduldig hört er sich die Fragen von mir und den weiteren Gästen an. Es geht darum, wie die Veddas heute leben, um traditionelle Medizin, um ihren animistischen Glauben, um das Familienleben. Frauen etwa bekommen die Besucher nicht zu Gesicht. Uruwarige selbst redet nur wenig, das meiste vermittelt der Übersetzer, der die Gebräuche der Veddas gut genug kennt. Uruwariges Sohn und einige weitere Veddas sitzen am Rand der Empfangshalle und begutachten uns. Bei einem von ihnen klingelt zwischendurch das Handy.
 
Als wir keine Fragen mehr an den Clan-Chef haben, schaut er noch ernst für ein Foto, dann ziehen uns seine Verwandten weiter, zu einem großen Platz unter hohen Bäumen. Der Regen hat etwas zugenommen - und auch die Veddas greifen zu bunten Schirmen mit Werbeaufdrucken. Auf der Lichtung zeigen sie uns ihre Fähigkeit des Schauspiels. In einer Art Folklore-Darbietung erläutern sie, wie sie jagen, wie sie tanzen, wie sie Feuer ohne Feuerzeug machen, oder wie sie Honig sammeln. Vor allem für Letzteres sind die Veddas seit Generationen bekannt - selbst nachdem einige von ihnen deswegen im Jahr 2007 verhaftet wurden und dann die Veddas mit der Tradition brachen, Honig zum buddhistischen Zahntempel in Kandy zu bringen. Dann singen sie für uns noch einige Liedchen, machen ein paar Scherze, die Zuschauer lachen oder schmunzeln etwas. Schließlich holen sie ein paar Säcke hervor, darin Souvenirs wie Tierzähne und Schmuck aus Knochen, den wir ihnen gerne abkaufen können.
 
Bei den Veddas in Sri Lanka. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Die Veddas machen uns damit deutlich: Die Verlockungen der modernen Welt sind auch bei ihnen allgegenwärtig. Handys, Fernseher, weitere Bequemlichkeiten halten Einzug in ihrem Leben. Derzeit verknüpfen sie das geschickt mit dem Tourismus, der ihnen Geld bringt. Doch ist das langfristig eine Bedrohung ihrer Kultur, wenn den Besuchern diese mittlerweile mehrfach am Tag Folklore-mäßig vorgeführt wird? Wie so oft auf dieser Welt geht das eine nicht mehr ohne das andere: Ohne zahlende Touristen hätten sie vielleicht längst ihre Äxte beiseite gelegt und ihre Lieder vergessen. Nur wenn ein Clan-Chef wie Uruwarige öffentlichkeitswirksam täglich für Dutzende Touristen in die Kameras schaut, wird sein Volk mit seinen Traditionen langfristig überleben - als Folklore-Stück längst vergangener Zeit. Das Tauziehen zwischen dem Erhalt der alten Kultur und dem Eindringen der modernen Welt hat längst begonnen. 
 
Bei den Veddas in Sri Lanka. Foto: Wolfgang Bürkle
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